In einer Arbeitswelt, die von Digitalisierung, Fachkräftemangel, flachen Hierarchien und zunehmender Komplexität geprägt ist, ist Führung nicht mehr das, was sie einmal war. Die klassische autoritäre Führungskraft hat längst Konkurrenz bekommen – durch Konzepte wie laterale Führung oder transformationales Leadership.
Dieser Artikel beleuchtet die verschiedenen Führungsstile, zeigt, wann welcher Stil sinnvoll ist, und gibt praktische Tipps, wie moderne Führung erfolgreich gestaltet werden kann – egal ob in Start-ups, mittelständischen Unternehmen oder internationalen Konzernen.
1. Was bedeutet „Führung“ heute?
Der Begriff Führung beschreibt den bewussten Einfluss auf das Verhalten von Menschen, meist mit dem Ziel, ein gemeinsames Ziel zu erreichen. Im beruflichen Kontext bedeutet das in der Regel:
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Mitarbeitende motivieren
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Ressourcen sinnvoll einsetzen
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Verantwortung tragen
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Ziele erreichen
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Veränderungen steuern
Führung kann dabei formal sein (z. B. durch Vorgesetzte mit disziplinarischer Macht) oder informell (z. B. durch Fachkräfte ohne Führungsverantwortung, die jedoch durch Fachwissen oder Persönlichkeit Einfluss nehmen).
Wichtige Führungsaufgaben:
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Kommunikation
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Zielvereinbarung
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Konfliktlösung
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Mitarbeiterentwicklung
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Strategische Planung
Früher war Führung häufig hierarchisch geprägt. Heute geht es zunehmend um Zusammenarbeit auf Augenhöhe – Stichwort: laterale und transformationale Führung.
2. Klassische Führung: Autorität durch Position
Die klassische Führung basiert auf formaler Macht. Die Führungskraft steht in einer Hierarchie über den Mitarbeitenden und trifft Entscheidungen, die ausgeführt werden sollen.
Merkmale klassischer Führung:
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Klare Strukturen und Prozesse
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Top-down-Kommunikation
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Kontrolle und Anweisung
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Leistungsmessung über Zielerreichung
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Fokus auf Ergebnis, nicht unbedingt auf Menschen
Dieser Stil kann in sicherheitsrelevanten oder stark regulierten Branchen (z. B. Polizei, Militär, Luftfahrt, Gesundheitswesen) sinnvoll sein, stößt jedoch bei kreativen und agilen Aufgaben oft an Grenzen.
3. Laterale Führung: Führen ohne Macht
Die laterale Führung bezeichnet Führung ohne formale Weisungsbefugnis. Sie ist besonders relevant in Matrixorganisationen, interdisziplinären Teams, Projektarbeit und agilen Umgebungen. Hier arbeiten Menschen zusammen, die unterschiedlichen Vorgesetzten unterstellt sind oder keine Hierarchie haben.
Merkmale lateraler Führung:
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Führung auf Augenhöhe
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Einfluss über Vertrauen, Kompetenz, Kommunikation
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Keine disziplinarische Macht
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Koordination und Motivation durch persönliche Autorität
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Geeignet für komplexe und dynamische Projekte
Voraussetzungen für laterale Führung:
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Soziale Kompetenz
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Selbstreflexion
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Konfliktfähigkeit
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Empathie
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Überzeugungskraft statt Anweisung
Beispiele sind Scrum Master, Projektleiter, Teamsprecher oder Produktmanager – alle führen ohne Weisungsbefugnis.
4. Transformationale Führung: Menschen inspirieren und entwickeln
Ein weiterer moderner Führungsstil ist die transformationale Führung. Sie zielt darauf ab, Mitarbeitende zu inspirieren, zu entwickeln und intrinsisch zu motivieren – über das reine Erreichen von Zielen hinaus.
Grundidee:
Menschen arbeiten nicht nur für Geld, sondern weil sie an eine Vision glauben, sich entwickeln wollen und Sinn suchen. Transformationale Führungskräfte führen durch Vorbild, Inspiration und Förderung.
Merkmale transformationaler Führung:
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Idealized Influence (Vorbildfunktion):
Die Führungskraft lebt Werte vor, ist authentisch und integer. -
Inspirational Motivation:
Gemeinsame Vision, Begeisterung und Motivation. -
Intellectual Stimulation:
Mitarbeitende werden zur Eigenverantwortung, zum Querdenken und zur Problemlösung ermutigt. -
Individualized Consideration:
Individuelle Förderung und persönliche Unterstützung.
Vorteile:
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Höhere Motivation und Bindung
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Innovation und Eigenverantwortung
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Bessere Kommunikation
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Langfristiger Erfolg durch Mitarbeiterentwicklung
Transformationales Führen ist besonders in wissensbasierten Branchen, im Change Management und bei der Führung von Generation Y und Z effektiv.
5. Vergleich: Klassische vs. Laterale vs. Transformationale Führung
Kriterium | Klassische Führung | Laterale Führung | Transformationale Führung |
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Machtbasis | Formale Autorität | Persönlicher Einfluss | Inspiration & Vorbild |
Hierarchie | Top-down | Flache/keine Hierarchie | Flexibel, visionär |
Motivation | Kontrolle, Anweisung | Vertrauen, Kooperation | Sinn, Entwicklung |
Kommunikation | Eher einseitig | Dialogorientiert | Inspirierend, partizipativ |
Einsatzbereich | Sicherheit, Routine | Projekte, Matrixteams | Change, Innovation |
Rolle der Führungskraft | Vorgesetzter | Moderator/Koordinator | Coach, Mentor, Vorbild |
6. Herausforderungen in der modernen Führung
Unabhängig vom Stil sehen sich Führungskräfte heute mit zahlreichen Herausforderungen konfrontiert:
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Fachkräftemangel: Mitarbeitende langfristig binden und entwickeln
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Generation Z: Neue Ansprüche an Arbeit, Führung und Werte
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Hybride Arbeit: Führung über Distanz erfordert neue Methoden
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Diversität: Umgang mit verschiedenen Kulturen, Generationen und Persönlichkeiten
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Digitalisierung: Umgang mit Informationsflut, Tools und virtuellem Arbeiten
Hier helfen vor allem transformationales und laterales Führungsverhalten, da sie auf Motivation, Empathie und Vertrauen setzen.
7. Laterale Führung in der Praxis: Tipps und Werkzeuge
Laterale Führung ist anspruchsvoll, weil sie ohne formale Macht auskommt. Sie erfordert:
Praktische Tipps:
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Beziehungen aufbauen: Vertrauen ist die wichtigste Währung.
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Klar kommunizieren: Ziele, Rollen und Erwartungen transparent machen.
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Konflikte moderieren: Unterschiedliche Interessen zusammenführen.
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Rückmeldung geben und annehmen: Feedback als Lernchance.
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Moderation statt Anweisung: Fragen stellen statt sagen, was zu tun ist.
Tools:
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Regelmäßige Check-ins
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Retrospektiven nach Projekten
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Kooperationsvereinbarungen
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Rollen- und Zielklärung mit Canvas-Modellen (z. B. Team Canvas)
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Kommunikationsplattformen wie Slack oder MS Teams
8. Transformationale Führung in der Praxis: So gelingt es
Wer transformational führen will, muss Werte vorleben, eine Vision vermitteln und Individuen fördern.
Praktische Umsetzung:
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Purpose definieren: Warum tun wir, was wir tun?
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Storytelling nutzen: Visionen emotional vermitteln
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Fehlerkultur fördern: Scheitern als Lernprozess etablieren
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Talente erkennen: Individuelle Stärken entwickeln
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Eigenverantwortung stärken: Mitarbeitenden Entscheidungen zutrauen
Werkzeuge:
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Entwicklungsgespräche
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Coaching-Ansätze
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Mentoring-Programme
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360-Grad-Feedback
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Innovationsworkshops
9. Welche Führung passt zu welchem Umfeld?
Nicht jeder Führungsstil passt zu jedem Unternehmen oder jeder Situation.
Unternehmensform | Empfohlener Führungsstil |
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Klassisches Industrieunternehmen | Klassische Führung, ergänzt durch transformationale Ansätze |
Start-up oder Tech-Unternehmen | Transformationale & laterale Führung |
Öffentliche Verwaltung | Klassisch, mit Elementen lateraler Zusammenarbeit |
Projektteams & agile Organisationen | Laterale & transformationale Führung |
Change-Prozesse & Transformation | Transformationale Führung |
Moderne Führung ist oft ein Mix verschiedener Stile – abhängig von Kontext, Teamstruktur und Reifegrad der Organisation.
10. Fazit: Führung im 21. Jahrhundert – Flexibel, empathisch, inspirierend
Die Anforderungen an Führung haben sich tiefgreifend verändert. Während die klassische Führung weiterhin in stabilen, strukturierten Umfeldern funktioniert, sind laterale und transformationale Führung heute in vielen Bereichen unverzichtbar.
Wer erfolgreich führen will, sollte:
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Sich selbst reflektieren
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Auf Augenhöhe kommunizieren
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Menschen in ihrer Vielfalt wahrnehmen
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Visionen entwickeln und inspirieren
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Unterschiedliche Führungsstile situativ kombinieren
Führung ist heute weniger eine Position als eine Haltung – geprägt von Verantwortung, Kommunikation und echter Zusammenarbeit.
Tipp zum Abschluss:
Wenn Sie selbst führen oder in einer Führungsrolle wachsen möchten, empfehlen sich Weiterbildungen in lateraler Führung und transformationalem Leadership. Viele Business Schools, Online-Akademien und Coaching-Plattformen bieten praxisnahe Programme, die Ihnen helfen, moderne Führung wirksam zu leben.